Albanien 2021

„Was will man denn in Albanien“, war die gängige, erste Reaktion auf unsere Reisepläne für den Sommer 2021. Ich selbst hatte Albanien schon etwas länger auf dem Radar. Die Nachbarn oder Beinahenachbarn Italien, Griechenland und Kroatien sind schon länger beliebte Urlaubsziele, aber Albanien, das ebenfalls über viel eigene Küste und jeder Menge Sonne verfügt, schien da immer hinten runterzufallen. Dann kam die weltweite Pandemie und plötzlich änderten sich nicht nur die Möglichkeiten beim Reisen sondern auch die Prioritäten.

Johannes und mir war es wichtig, ein Land anzuwählen, wo die Infektionszahlen eher nicht spontan explodieren würden, das bei der Ein- und Ausreise von und nach Deutschland unkompliziert ist, in Europa liegt, das über eine abwechslungsreiche Landschaft verfügt, budgetschonend und sommerlich ist. All das bot Albanien. Das Infektionsgeschehen war dort sehr lange äußerst niedrig und stabil und die ersten Recherchen ergaben, das Albanien wirklich alles an Landschaft zu bieten hat. Weite Küste, Berge, Steppe, Flüsse, Seen und sogar Wälder. „Albanien hat doch nur Ödland“, wie uns ein lieber Freund wissen ließ, war sehr weit weg von der Realität.

Sarandë, Albanien 2021

Schon als wir in der Hauptstadt Tirana landeten spürten wir die allgemeine Gelassenheit der Albaner und die freundlichen Mitarbeiter bei der Autovermietung hatten noch jede Menge Tipps für uns. Sie wiesen mehrfach auf die Straßenverhältnisse hin, aber zu diesem Augenblick hatten wir noch keine Vorstellung davon, was in Albanien alles eine Straße ist und wie schlecht eine schlechte Straße hier wirklich sein kann. So verbrachten wir die ersten Tage in der Stadt Durrës und mussten uns erst einmal daran gewöhnen, dass wir stark auffielen und sich wirklich viele Albaner oder Touristen aus den nahen Ländern Montenegro, Nordmazedonien oder Serbien mit uns unterhalten wollten. Englisch war schon in Durrës nicht weit verbreitet, aber irgendwie ging es immer.

Entweder kannte der interessierte Einheimische jemanden, der sich mit uns verständigen konnte oder wir zogen den Google Übersetzer zu rate. Manchmal hielten die Leute sogar mit dem Auto neben uns an, nur um ein freundliches Gespräch zu beginnen. Das war für uns erst ungewohnt, besonders für Johannes, der meistens das Zentrum der Aufmerksamkeit war, aber wir verstanden schnell, dass die Leute einfach nur sehr neugierig und unheimlich freundlich waren.

Erstes Bild der Reise in Bogovë, Albanien 2021

Unser erstes Bild machten wir dann in der Nähe von Bogovë und lernten direkt wieder etwas über Albanien. Man könnte meinen, diese Brücke hier sei alt und führe nirgendwohin. Doch das stimmt nicht und der Roller, der in einiger Entfernung auf unserer Seite parkte gab darauf auch einen Hinweis. Diese Brücken findet man nämlich sehr häufig in Albanien und sie führen in aller Regel zu einem Dorf, einer Ortschaft oder einem Wohnhaus. Und so kam uns auch von der anderen Seite nach einiger Zeit ein freundlicher Albaner entgegen, der im Fluss ein Bad nehmen wollte. Zum Glück waren wir zu diesem Zeitpunkt aber bereits wieder angezogen. Auch wenn die Einheimischen diese Brücken viel nutzen, sollte man trotzdem auf seine Füße achten. Morsch gewordenes Holz kann gerne mal nachgeben und so waren manche der Brücken in einem Zustand, in dem ich sie nicht mehr guten Gewissens betreten würde. Hier in der Nähe von Bogovë bahnte sich auch gleich mein persönliches Drama dieser Reise an. Das Erste von vielen.

Ich weiß nicht, was manchmal mit meinem Kopf los ist, aber irgendwie hatte ich es geschafft, das Verbindungskabel zwischen Kamera und Empfänger zuhause zu vergessen. Es ist ein absolutes Standardkabel und ich machte mir daher zunächst keine größeren Sorgen. In Island war es damals kein Problem, den kaputten Fernauslöser zu ersetzen. Aber hier in Albanien war ich doch recht verzweifelt, denn meine Recherche brachte kaum Ergebnisse. Es gab schon mal so gut wie keine Kameraläden. Zwar fand sich an jeder Ecke ein Laden für Überwachungskameras oder Handys, aber eine richtige DSLR schien in Albanien ziemlich uninteressant zu sein. Tatsächlich habe ich außer mir auch nirgendwo jemanden mit einer gesehen. Dabei fand ich tatsächlich ein paar professionelle Fotografen in Durrës oder Tiranë, aber wo die ihr Equipment kaufen, ist mir bis heute ein Rätsel geblieben.

Kukës, Albanien 2021

So oder so stieß ich bei meiner stundenlangen Onlinerecherche auf zwei Optionen. Die eine war ein kleiner Laden für gebrauchtes Kameraequipment. Die Angestellten waren auch sehr bemüht, mir zu helfen, verstanden aber bis zuletzt nicht genau, wonach ich suchte. Der Fernauslöser, den sie selbst verkauften, verfügte übrigens nicht über dieses unabdingbare Kabel. Die zweite Option war ein Laden für „Professional Camera Equipment“ und ehrlich gesagt war ich ziemlich zuversichtlich. Zumindest bis wir das Geschäft gefunden hatten und es sich als Motorradladen mit einer handvoll Kamerazubehör entpuppte. Ich verstehe diese Kombination bis heute nicht und der Verkäufer war sich auch absolut sicher, dass ich so ein Kabel, wie ich es brauchte, in ganz Albanien nicht finden würde. Es waren die Adleraugen von Johannes, die in einer kleinen Ecke genau dieses Ladens einen Fernauslöser wie meinen entdeckten – sogar vollständig und mit Kabel.

Mit 80 Doller haben wir für albanische Verhältnisse unheimlich viel Geld dafür bezahlt. Aber im internationalen Vergleich war das ein normaler Preis und der Verkäufer gab uns sogar noch einen Rabatt. Wie liebenswert muss man sein, um einer verzweifelten Frau, der der Preis vollkommen egal ist, auch noch einen Rabatt auf ein Produkt zu geben, das man sehr wahrscheinlich nie verkauft hätte?! Immerhin bemerkte ich meinen Fehler als wir noch im Umkreis von Tiranë waren. Ich bezweifle stark, dass ich irgendwo sonst im Land einen Fernauslöser bekommen hätte. Ich hoffe wirklich, dass ich immer daran denke, wenn ich wieder meine Ausrüstung zusammenpacke und mir so ein Fehler nicht mehr passiert.

Qafë Shtamë Nationalpark, Albanien 2021

Die erste lehrreichen Bekanntschaft mit den albanischen Straßen machten wir direkt am zweiten Tag, als wir Berat, die Stadt der tausend Fenster besuchten und im Anschluss noch zu einem Wasserfall fahren wollten. Die Serpentinen sind mitunter so anhaltend und heftig, dass mein Magen schnell rebellierte. Nach gut 40 Kilometern in Schlangenlinien verlor ich mein Frühstück am Straßenrand. Straßen sind generell ein Thema für sich in Albanien, da hatten die Angestellten der Mietwagenfirma keineswegs untertrieben. Manchmal hören Straßen einfach auf oder sie werden plötzlich nahezu unpassierbar. Das, was auf Google Maps eine Straße ist, kann in der bitteren Realität eine Schotterpiste mit viel Geröll, eine astrein befahrbare Straße oder auch mal eine Straße sein, die es gar nicht gibt. Ob man sich dabei in einer ländlichen Gegend oder nahe der Stadt befindet, spielt kaum eine Rolle. Die Straßen können wirklich überall sehr gut oder eben sehr schlecht sein.

Mehr als einmal bin ich aus dem Auto gestiegen, um die geplante Straße einige hundert Meter vorher abzulaufen, um sie auf mögliche Wendestellen oder generelle Befahrbarkeit zu testen und mehr als einmal war das eine unabdingbare Maßnahme, die uns heftige Probleme erspart hat. Man tut gut daran, wirklich jederzeit mit einem heftigen Straßenschaden zu rechnen. Die Fahrbahn kann 20 Kilometer top sein, nur um hinter der nächsten Kurve ein riesiges Schlagloch mit 30cm Höhenunterschied aufzuweisen. Und nein, Schilder, die auf solche Überraschungen hinweisen sind ausgesprochen selten. Die folgenden Bilder geben einen kleinen Überblick. Dazu sollte gesagt werden, dass die wirklich großen Straßen oft gut waren, aber eben nicht immer. Grob gesagt musste man überall mit allem rechnen und so trafen wir hinsichtlich der Straßenwahl mal gute und mal weniger gute Entscheidungen. Wer wirklich auf Nummer Sicher gehen will, sollte auf den Highways bleiben und kleinere Orte meiden. Alternativ hilft natürlich auch ein Geländewagen, aber den konnten wir bei den Mietwagenfirmen, die wir abgesucht haben, nicht ohne Weiteres finden.

In Zeiten der Pandemie wollten wir jeden Grenzübertritt unbedingt vermeiden und wurden auch seitens der Mietwagenfirma eindringlich darauf hingewiesen, keinesfalls die Landesgrenze zu überfahren. Auf dem Weg vom nördlichen Kukës ins südöstliche Pogradec suchten wir nach einer Alternativroute, um die nordmazedonische Grenze nicht zu passieren. Was eigentlich eine herkömmliche Straße sein sollte, stellte sich als teilweise steile, seitlich abfallende Schotterpiste voller Geröll heraus, die wir im ersten Gang fahren mussten, weil alles andere nicht möglich war. Ich werde den Moment wohl nie vergessen als genau diese Höllenstraße nach 60 Kilometern wie selbstverständlich in besten Asphalt überging.

Kukës, Albanien 2021

Alles, was auf Google Maps eine große gelbe Straße ist, lässt sich in aller Regel gut befahren – für albanische Verhältnisse. Also zumindest bleiben diese meistens wirklich asphaltiert, was nicht heißt, dass sie keine riesigen Löcher aufweisen können. Aber bei den weißen kann wirklich alles passieren. Die Mautstraßen sind ebenfalls sehr gut befahrbar und kosten um die 5 Euro. Ehe man allerdings merkt, dass man gerade eine Mautstraße ansteuert, ist es meistens schon zu spät. Da die Alternative oftmals aber wirklich mies ist, würde ich die Mautstraße immer vorziehen.

An dieser Stelle aber wirklich der Hinweis: Wenn euch ein Einheimischer auch nur ansatzweise vor einer Straße warnt, dann nehmt das ernst. Aus Gjirokastër wären wir ohne die Hilfe diverser Einheimischer gar nicht mehr herausgekommen, weil es ein einziges Labyrinth aus engen Straßen ist, die plötzlich aufhören und man merkt das erst dann, wenn man schon drin ist. Wäre ein junger Albaner nicht armewedelnd auf uns zu gelaufen… Seid also nicht so dumm wie wir, lasst das Auto außerhalb der Stadt stehen und lauft rein. Die Stadt der tausend Schritte ist einfach nicht für so Autoweicheier wie uns gemacht. Weiterhin sollte man wissen, dass die eigentlichen Entfernungen in Albanien zwar klein, die tatsächlichen aber sehr groß sein können. Da die Straßen so unterschiedlich beschaffen sind, sagen Kilometerangaben alleine wenig aus. Man kann für 50 Kilometer 30 Minuten oder 3 Stunden brauchen. Hier war Google Maps wiederum hilfreich, denn die dortigen Angaben vermittelten oft einen guten Anhaltspunkt.

Fshat, Albanien 2021

Die Straßen sind in Albanien aber nicht das einzige Hindernis. Auch die sprachlichen Barrieren können hoch sein. Zwar wird in den Städten oft etwas englisch gesprochen, im ländlichen Raum wird es aber schon schwieriger. Hier und dort noch etwas italienisch. Einige Albaner sprechen auch deutsch. Kommt man Richtung Norden nach Kukës kann man mit englisch wieder mehr Glück haben. Ich weiß nicht, ob es an der Nähe zum Kosovo liegt, aber gerade hier trafen wir öfter mal auf junge Albaner, die wirklich gut englisch sprachen. Unsere Unterkunft hatten wir etwas außerhalb von Kukës im kleinen Bergdorf Fshat bei Jeton und seiner Frau Meliha. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Aber nachdem wir die Schotterpiste hinter uns hatten, fühlten wir uns, als würden wir zu unseren Eltern nach Hause kommen. So herzlich nahmen uns die beiden auf.

Verständigen konnten wir uns leider nicht, da wir keine gemeinsame Fremdsprache beherrschten. Wann immer etwas notwendig war, wurden die Kinder von Meliha und Jeton angerufen, die beide im Ausland lebten und hervorragend englisch sprachen, um zu übersetzen. So klappte es mit der Verständigung dann auch. Hin und wieder halfen der Google Übersetzer und Hände wie Füße. Das Ehepaar lebt auf einem kleinen Selbstversorgerhof in den Bergen, was uns jeden Morgen ein traditionelles Frühstück bescherte. Alles wurde hier selbst hergestellt. Die Milch kam von Nachbars Kuh, die Eier von den eigenen Hühnern, das Wasser aus dem eigenen Brunnen. Ein Nachbarsjunge füllte hier für seine Familie ebenfalls die Wasserflaschen auf. Nur selten würden sie in die Stadt fahren, denn sie hatten ja alles, was sie brauchten. Ich hatte sogar den Eindruck, dass sich Meliha immer wieder Vokabeln aneignete, denn sie schien jeden Tag etwas mehr mit uns zu sprechen. Und so war ich fast traurig, als wir nach einigen Tagen nach Pogradec aufbrachen und die beiden wieder verließen. Noch immer, wenn ich an Albanien denke, dann denke ich an Jeton und Meliha, wie sie uns jeden Morgen beim Verlassen des Hofes zuwinkten und die Hühner vom Auto wegscheuchten. Und natürlich an das hervorragende Frühstück, das wir jeden Morgen bekamen. Ich habe selten so glückliche, bescheidene, warme Menschen erlebt. Sie waren wirklich ein Geschenk.

Kukës, Albanien 2021

In Durrës waren wir in einem beliebten Badeort gewesen. Die Strände waren kilometerlang und bis auf den letzten Zentimeter mit kostenpflichtigen Sonnenliegen belegt. In Albanien gibt es nur wenig Strände, an denen man nicht aufgefordert wird, eine Sonnenliege für den Tag zu mieten. Das war der Hauptgrund, warum wir uns in Durrës nicht am Strand aufhielten – es war einfach brechend voll dort. Oben im Norden waren deutlich weniger Touristen unterwegs. Das gilt für einheimische aber auch für Touristen aus den Nachbarländern. Die meisten kommen zum Baden nach Albanien und suchen daher die Badeorte wie Vlorë, Durrës oder Sarandë auf. In der Küstenregion wurden von den Familien sehr oft frisches Obst am Straßenrand angeboten. Wir haben das öfter genutzt und hatten nie das Gefühl, zu viel zu bezahlen. In aller Regel stand der Preis für das Kilo auf einem Schild, dann wurde gewogen und abgerechnet. Der Norden bot all das nicht und trotzdem bleibt es meine liebste Region in Albanien.

Dibër, Albanien 2021

An dieser Stelle komme ich doch noch einmal auf die albanischen Straßen zu sprechen. Da der Weg von Pogradec im Südosten nach Sarandë im Süden etwas ereignisreicher war. Wir befuhren eine gute, aber relativ enge Straße und kamen gerade aus einer Kurve als wir ein entgegenkommendes Fahrtzeug streiften, das ebenfalls aus einer Kurve kommend sehr mittig fuhr. Wahrscheinlich um dem immensen Straßenschaden am Rand auszuweichen. Beide Seitenspiegel wurden bei dem Kontakt beschädigt und wir haben uns ziemlich erschrocken. Zum Glück sprach einer der Unfallgegner einigermaßen englisch und schien auch sonst ein netter Kerl zu sein. Nachdem es anfangs etwas hitzig war, hielten wir jeweils Rücksprache mit unseren Mietwagenfirmen (die albanische Gegenseite kam aus Griechenland) und riefen dann die Polizei. Erst freute ich mich, als schon nach kurzer Zeit ein Wagen auftauchte. Allerdings handelte sich dabei lediglich um den Sherriff des nächsten Ortes.

Kurz darauf erschien ein Kriminalbeamter. Keiner von ihnen sprach englisch und auch das wenige italienisch von Johannes half kaum weiter. Das war der Moment, an dem wir wirklich angespannt waren, denn die Gegenseite wurde immer wieder hitzig, gestikulierte wild in unsere Richtung und wurde laut. Von unserer Mietwagenfirma erfuhren wir, dass die Gegenseite uns für den Unfallverursacher hielt. Sherriff und Kriminalbeamter schienen das aber anders zu sehen, denn sie riefen den albanischen Beifahrer immer wieder streng zur Ordnung und liefen die Unfallstelle genau ab. Zwar redeten die beiden Beamten nicht wirklich mit uns, was wir darauf schieben, dass sie sich mit uns einfach nicht verständigen konnten, aber sie meinten es offenbar gut mit uns. Nach etwas Zeit teilten sie uns dann mit, dass wir auf die Verkehrspolizei aus Korca warten müssten, die etwa 2 Stunden brauchen würde.

Gjirokastër, Albanien 2021

Damit wir uns keinen Sonnenstich holen, sollten wir in den nächsten Ort fahren und uns solange in ein Cafè setzen. Außerdem sollten wir uns keine Sorgen machen, so etwas passiere oft und sei keine große Sache. Jetzt fragt man sich bestimmt, wie sich all das vermitteln ließ, wenn man sich nicht miteinander verständigen kann. Aber irgendwie funktionierte es. Als die Polizei aus Korca kam, war endlich eine Beamtin dabei, die englisch sprach und uns sagen konnte, was nun genau passieren würde. Die Verkehrspolizisten stellten fest, dass beide Parteien gleichermaßen den Unfall verursacht hätten, stellten für beide Fahrer einen Strafzettel über 2000 albanische Lek aus und gaben uns einen Bericht mit. Das war es dann auch schon und wir erfuhren später, wie man Strafzettel denn eigentlich in Albanien bezahlt.

Wir hatten nämlich schon in Tiranë einen Strafzettel wegen Falschparkens bekommen. Es funktioniert so, dass man in einen Laden geht, der ein entsprechendes Symbol der Behörde hat (dieses Symbol befindet sich auch auf den Polizeiwagen der Verkehrspolizei). Meistens sind das Handyläden oder die örtliche Post. Dort bezahlt man seine Strafzettel und bekommt noch einen Rabatt, wenn man das innerhalb einer bestimmten Frist erledigt. Den Schaden am Auto regulierte der Mietwagenanbieter Sicily by Car über die Versicherung übrigens absolut problemlos. Sie haben den Schaden über 125 Euro angegeben und wir bekamen das Geld später von Rentalcars wieder. Da genügte ein kurzer Schriftverkehr über Whatsapp und Mail. Ehrlich gesagt habe ich es mir deutlich schlimmer vorgestellt, einen Autounfall im Ausland zu haben. Aber in diesem Fall waren alle wirklich sehr nett und fair zu uns. Angefangen bei den Polizeibeamten, über die Mitarbeiter der Mietwagenfirma bis hin zum Mietwagenvermittler.

Kolonjë, Albanien 2021

Natürlich waren die Stunden vor Ort eine ziemliche Stresssituation, aber wir versuchten uns immer wieder zu sagen, dass das eben oft passiert, dass wir nicht die einzigen Touristen sind, die im Ausland einen kleinen Unfall haben und dass das für alle anderen Beteiligten (abgesehen vom Unfallgegner) Alltag ist. In jedem Fall hat sich hier die Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung richtig gelohnt. Da in Albanien die Straßen oft schlecht sind, Dornenbüsche auf die Straße ragen und es häufig sehr eng ist, waren wir von Anfang an sehr froh, dass wir komplett abgesichert waren. Denn schon in Berat hatten wir uns den Seitenspiegel angeschlagen und im Bovilla Reservat einen Busch gestreift und somit einen ausgereiften Kratzer quer über die rechte Fahrzeugseite verursacht. Zum Glück an Stellen, wo das Auto schon Schäden hatte. Auch hier war man bei der Abnahme des Autos in Tiranë wirklich fair.

In Sarandë angekommen trafen wir dann auf den ersten Albaner, mit dem wir ein richtiges Gespräch auf englisch führen konnten und das nutzten wir für diverse Tipps. Hier am südlichsten Zipfel des Landes gingen wir auch endlich baden, denn unser Host hatte einen Strandtipp, an dem man keine Liegen mieten musste. Zudem machten wir hinsichtlich der Bedingungen wohl unser extremstes Bild bislang, denn es waren 49 Grad Außentemperatur. Sarandë selbst ist ein schöner, wuseliger Badeort voller Touristen aus unterschiedlichsten Ländern. Viele Italiener kommen mit dem Schiff rüber, aber auch Einheimische, Serben oder Kosovaren machen hier Urlaub. Wie schon in Durrës fühlten wir uns auch hier in Sarandë zu jeder Tages- und Nachtzeit sicher. Bis spät abends sahen wir Frauen alleine auf den Straßen, was diesen Eindruck noch bestätigte. Überhaupt fühlte sich Albanien für uns sehr sicher an. In Berat erlebten wir einen eher halbherzigen Scammingversuch, aber davon abgesehen war die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Albaner immer echt und ausgesprochen liebenswert. Viele wollten sich einfach mit uns unterhalten, waren neugierig. Aber gleichzeitig hatten wir selten das Gefühl einen Touristenpreis zu zahlen. Die Tankwärte wollten unseren Tipp oft gar nicht haben, der Preis für die vielen, wahnsinnig guten Espressi, die wir tranken, war immer gleich: 50 Lek. Nicht selten mussten wir deutlich sagen, dass wir wirklich gern etwas Trinkgeld geben wollten. Hierbei achteten wir darauf, dass Trinkgeld wirklich verhältnismäßig ist, auch wenn es für uns nur ein kleiner Betrag ist.

Bovilla Reservoir, Albanien 2021

Ich als Frau fühlte mich auch ohne Johannes wirklich sicher und freundlich behandelt. Ich kenne es aus anderen Situationen im Ausland öfter, dass man eher meine männliche Begleitung anspricht, wenn etwas bestellt werden soll. Oder ich werde viel angeflirtet. Aber selbst wenn ich ohne Johannes in einen Laden ging, war der Umgang immer sehr freundlich und man ließ mich nicht links liegen, wie ich es gerade in Ägypten bei männlicher Begleitung sehr oft erlebt habe. Es gab aber auch Situationen, in denen wir den Albanern angenehm egal waren. So versuchen wir wirklich immer, unsere Bilder dann zu machen, wenn wir alleine sind. Aber manchmal taucht eben doch unerwartet ein Passant auf. So auch in Albanien.

Wir hatten uns im Vorfeld doch etwas Sorgen darüber gemacht, was passieren würde, wenn wir beim Fotografieren auf Einheimische treffen würden. Es wird oft gesagt, die Albaner seien sehr konservativ und vielleicht stimmt das auch. Allerdings wurden wir bei jeder nackten Begegnung einfach ignoriert. Wo wir in Schottland einen neckischen Spruch bekamen, in Deutschland neugierig angesprochen wurden, wurden wir in Albanien einfach ignoriert. Es gab nicht mal neugierige Blicke. Die Leute registrierten, was wir da machten und gingen weiter. Ich kann und will nicht ausschließen, dass sie nicht gerade begeistert waren, ABER – und das ist der Punkt – sie ließen uns einfach in Ruhe. Ich persönlich brauche nicht mehr Toleranz in einem fremden Land.

Bulqizë, Albanien 2021

Als wir in Sarandë ankamen, hatten wir die Vielfältigkeit von Albanien schon gut kennengelernt. Von Stränden mit kristallklarem Wasser, Flüssen, Wäldern, Berglandschaften, Ödland und wuseligen Städten hat Albanien wirklich alles zu bieten. Eine Besonderheit bleiben aber die vielen Bunker, die noch immer daran erinnern, das es hier einmal Krieg gab. Noch immer gehören sie zu Albaniens Landschaftsbild einfach dazu. Mal eher versteckt, mal gut sichtbar sind sie scheinbar überall. Manchmal sieht man sie nur, wenn man aus einer bestimmten Richtung an ihnen vorbeifährt, manchmal läuft man einfach an ihnen vorbei und übersieht sie leicht und manchmal stehen sie gut sichtbar auf einem Hügel. Albaniens Bunker sind eine Kuriosität, die in Europa sehr besonders ist und so haben die Albaner dieser Besonderheit auch zwei Museen gewidmet, die man in Tiranë besuchen kann: BUNK’ART1 und BUNK’ART2. Auch wir haben die Bunker in unsere Selbstportraits eingebaut.

Kukës, Albanien 2021

Eine weitere Besonderheit Albaniens sind die vielen Lost Places. Nahezu überall stehen verlassene oder unfertige Gebäude herum, die wohl niemals mehr fertiggestellt werden. Manche Gebäude hingegen wirken erst verlassen, sind es auf den zweiten Blick aber doch nicht. Denn viele Albaner beziehen ihre Häuser schon, wenn sie noch unfertig sind. Das Haus wird dann nach und nach fertiggestellt. Ob ein Haus noch im Bau ist, erkennt man oft daran, dass ein heruntergekommener Teddy am Haus hängt. Dieser soll alle bösen Geister und Gedanken aufnehmen, damit diese die Bewohner nicht erreichen. Wir haben uns ziemlich lange über die Teddybären gewundert, bis unser Host in Sarandä uns dann von dieser Tradition erzählen konnte. Nichtsdestotrotz bleiben sehr viele Gebäude übrig, die wirklich verlassen sind und auch diese gehören zum Landschaftsbild einfach dazu. Zu Beginn des Projekts haben wir Bilder mit Gebäuden eher vermieden. Aber sowohl die Bunker als auch die verlassenen Gebäude gehören einfach genau so zu Albanien wie das klare Wasser, die schönen Berge, grasenden Tiere, Strände und… Müll.

Kukës, Albanien 2021

Müll ist in Albanien ebenfalls ein Thema für sich. Wir haben uns erklären lassen, dass eine Mischung aus mangelnder Aufklärung, mangelndem Handlungsinteresse seitens der Regierung und mangelnder Entsorgungsstruktur für dieses große Problem verantwortlich ist. Überall im Land finden sich große Mengen an Müll, wirklich überall. Dabei haben wir nur wenig Albaner beobachtet, die ihren Müll sorglos auf die Straße warfen. Allerdings sahen wir auch nur wenig Müllcontainer. Tatsächlich sammelten wir unseren Müll immer relativ lange, bis wir eine Gelegenheit fanden, ihn zu entsorgen. Wir konnten uns bis zum Schluss nicht daran gewöhnen, wieviel Müll überall herumlag, weswegen wir auch zu diesem Thema ein Bild gemacht haben. Es ist wohl eines der unangenehmsten Bilder, die wir bislang fotografierten.

Neben dem vielen Müll, der oft herumliegt, wird selbiger aber auch sehr häufig einfach verbrannt. Man sieht immer wieder große und kleine Flächen verbrannter Erde, wo offensichtlich jemand seinen Müll verbrannt hat. Da dieses Thema für uns wirklich umfangreich ist, haben wir ganz zum Schluss unserer Reise auch noch ein Bild mit verbrannter Erde gemacht. Zugegeben kommt dieses wohl gleich hinter dem Müllbild, wenn es darum geht, wie unangenehm es uns war. Aber nach 2 Wochen hatten wir Albanien sehr facettenreich erlebt und es erschien uns seltsam, diesen Teil unserer persönlichen Erlebnisse einfach auszulassen.

Fier, Albanien 2021

Wenn ich auf unsere Albanienreise zurückblicke, dass stelle ich fest, dass sie voller Kontraste, Höhen und Tiefen war. Sie spiegelt das Land gut wider. Albanien hat auf der einen Seite so wunderbare, freundliche Menschen, eine herrliche, abwechslungsreiche Natur, einen Kaffee, der sich vor dem italienischen nicht verstecken muss, aber die Straßenverhältnisse und die immensen Müllberge sind schwer zu ignorieren. Auch für uns war die Reise eine emotionale Achterbahn. Wir hatten so wundervolle Momente wie mit Jeton und Meliha, nur um dann in einen Autounfall zu geraten. Eben noch fuhren wir gemütlich dem Sonnenuntergang entgegen und kurz darauf befinden wir uns auf einer Strecke, die Johannes und dem gemieteten PKW wirklich alles abverlangte. Wir hatten unheimliches Glück, das vergessene Equipment für die Kamera in einem Motorradladen ersetzen zu können und dann beim Check In auf dem Rückflug so viel Pech, dass wir wegen einem undurchsichtigen Modell der Airline kräftig nachzahlen mussten. Unsere persönlichen Erlebnisse in und mit Albanien waren so kontrastreich wie Albanien selbst. Wenig lief glatt, aber irgendwie funktionierte am Ende immer alles. Und genau das ist Albanien. Auch nach der Reise verstehe ich nicht, warum Albanien neben dem restlichen Balkan etwas hinten herunterfällt. Es ist unverdient, denn dieses Land und seine Menschen verdienen es, dass man sie sieht.

Im Übrigen nehmen wir unsere Leser auf jeder Reise per Instagramstory mit. Hier posten wir dann direkt aus dem Geschehen heraus, was wir gerade erleben. Hinterher speichern wir unsere Reisestorys als Highlight ab, sodass sie auch später immer abrufbar sind. Wer also noch mehr Albanieneinblicke erhaschen möchte, schaue sich gern auf unserem gemeinsamen Reiseaccount um. Dort sind auch die Reisestorys aus Schottland, Island und kommenden Reisen zu finden.

Erstelle eine Website wie diese mit WordPress.com
Jetzt starten