Fotogruppen bei Facebook

Wer mir schon länger folgt, weiß, dass Fotogruppen auf Facebook und ich eine etwas eigenwillige Beziehung zueinander haben. Hin und wieder teile ich die mitunter sehr negativen Kommentare und werde dann berechtigter Weise gefragt, weshalb ich in Facebookgruppen überhaupt noch etwas poste. Die Tatsache ist nämlich, dass ich außer mir selbst kaum jemanden kenne, der das noch macht. Der Grund dürfte für die meisten sehr offensichtlich sein. Während man beispielsweise auf Instagram innerhalb der eigenen Bubble einfach nicht liked und den Mund hält, wenn einem etwas nicht gefällt, hagelt es in Facebookgruppen Beleidigungen. Die Kommentatoren empfinden das aber nicht als beleidigend, für sie sieht so konstruktive Kritik aus.

Tatsächlich konstruktive oder gar wertschätzende Kritik liest man selten und scheinbar ist das auch gar nicht das Ziel, denn die allgemeine Begründung, warum man dort so miteinander umgeht ist meistens: „Wenn du etwas postest, dann musst du mit Kritik rechnen“. Gerne werden persönliche Angriffe aber auch als „Wird man ja wohl noch sagen dürfen“ oder aber auch „Ich darf meine Meinung ja wohl noch sagen“ abgetan. Es ist also nicht mal nur so, dass die Menschen ihre mitunter wirklich fiesen Kommentare als Kritik verstehen, überhaupt etwas zu posten ist offenbar auch ein Freifahrtschein, dass sich andere respektlos verhalten und ihren ganzen Frust mal an einem auslassen dürfen. Da das nicht mein moralischer Kompass oder der meines Umfeldes ist, musste ich das erst einmal lernen.

Den wohl größten Shitstorm bekamen meine Schneckenbilder. Hierbei handelte es sich um einen Test, den ich coronabedingt mit Selfs umsetzte. Dass jemand mit mir wirklich bis aufs Blut darüber stritt, dass man auf einem Bild nicht etwa einen Schatten, sondern meinem Nippel sehe (Leute, ich bin 34, ich kenne meine Nippel und nein, das war einfach keiner), war hier noch das Lustigste. Wenn ich selbst objektiv auf die Bilder schaue, würde ich den Schnitt teilweise bemängeln, auch dass ich den Arm oft zu eng anlege und die Haare etwas fusselig sind. Da man mir in der Fotocommunity schon geraten hatte, mal zu googlen, wie man einen Weißabgleich macht, hatte ich das vorsichtshalber bereits im Eingangspost erwähnt: Das Cyan in den Lichtern ist gewollt. Auch das mir Kunstlicht nicht sonderlich liegt und ich damit wenig Erfahrung habe, hatte ich ganz offen dazugesagt. Interessanterweise gab es aber genau zu diesen, wie ich finde, recht konstruktiven und objektiven Punkten, so gut wie keine Anmerkungen. Erst recht keine Verbesserungsvorschläge oder Hilfen.

Aber sind Facebookgruppen dann überhaupt noch sinnvoll und wenn ja für wen? Meine knappe Antwort lautet wohl: „Bist du dir in deiner Kunst unsicher, bist du in deiner Haltung zu dir und deiner Kunst nicht gefestigt, dann mache einen großen Bogen um Facebookgruppen.“ Es bringt einen nirgendwo hin, sich in irgendeiner Fotogruppe Beleidigungen, Anfeindungen und Abwertung abzuholen. Zwischen viel Lob oder eben vernichtender, beleidigender Kritik ist dort aber nicht viel zu erwarten.

Auch wenn du mit Beleidigungen nicht gut umgehen kannst, wenn du dich schlecht von anderen abgrenzen und seelisch schlecht vor negativen Meinungen schützen kannst, sind Facebookgruppen der falsche Ort für dich. Oftmals sind die Meinungen dort nämlich nicht kontrovers, sondern es kommt sehr stark darauf an, wie die ersten Kommentare ausfallen. Sind sie positiv, wird kollektiv nachgezogen. Aber sind sie negativ, wird eben auch kollektiv nachgezogen und genau das passierte bei den Schneckenbildern. Die übliche Portion Mensplaining, die man auch in der Fotocommunity oft findet, gibt es auch auf Facebook gratis oben drauf. Eines meiner persönlichen Highlights ist aber die Fotocommunity, in der man mich gern väterlich lobt, dass ich das ja schon ganz gut mache, aber doch bitte mal googlen solle, wie man den goldenen Schnitt richtig anwendet, einen Weißabgleich macht oder erzieherisch wertvoll darauf hinweist, dass man Portraits bitte nicht im „Landscapemodus“ fotografieren darf. Wer nun irritiert ist… Andere Menschen nennen es „Querformat“ und ja, der hat bei mir auch ne Weile gedauert. Da dort die meisten Frauen nur Blumen zu fotografieren scheinen und man über die teilcolorierte Gummibärchenbande auf einem nackten Frauenhintern in schwarzweiß noch nicht hinausgekommen ist, ist es offenbar Neuland, dass man Portraits auch im Querformat fotografieren oder eine Farbverschiebung in den Lichtern gewollt herbeiführen kann.

Selbstportrait März 2020

Dennoch haben gerade Facebookgruppen für mich Vorteile. Zum einen vergrößert sich tatsächlich meine Reichweite und gerade in Bezug auf meine Männerakte, fand ich sicherlich die Hälfte meiner Modelle über Facebook. Was meine Frauenbilder betrifft, so bin ich auf Facebook längst nicht mehr angewiesen, bei den Männern ist das anders. Des Weiteren lerne ich trotzdem immer wieder Menschen kennen, die mich bereichern. Facebookgruppen für Fotografie (oder auch die Fotocommunity) sind die Jauchegrube der sozialen Medien in Sachen Bildkunst. Es ist verdammt viel Dreck, aber manchmal finden sich richtige Schätze. Und so fand ich Severina, oder besser, sie fand mich. Sie sah meine Schneckenbilder und wir kamen in Kontakt. Noch immer ist sie die einzige Tierfotografin, der ich folge, weil mich ihre Arbeiten wirklich interessieren und beeindrucken. Denn obwohl wir sehr unterschiedlich fotografieren, haben wir Gemeinsamkeiten, insbesondere bezüglich unserer Farbharmonien . Auch Thilo fand ich im Dreck der Facebookgruppenlandschaft und habe in ihm einen interessanten, reflektierten und kontroversen Gesprächspartner gefunden.

Selbstportrait April 2020

Dass ich aber das Feedback aus Facebookgruppen oder der Fotocommunity gelegentlich teile, liegt in erster Linie daran, dass nicht jeder so entspannt mit solchen Worten umgehen kann. Viele sind wirklich verletzt, posten gar nicht mehr, lassen sich verunsichern und ziehen sich zurück, was ich sehr gut verstehen kann. Ich möchte einfach zeigen, dass Realitäten verschieden sind. Während ich auf Instagram sehr viel Zuspruch erhalte, sieht es eben auf Facebook oft anders aus. Das ist okay und veranlasst mich nicht dazu, zu denken, dass ich schlechte Bilder mache. Noch viel weniger führt es dazu, dass ich über mich selbst schlecht denke, auch wenn mich mal wieder jemand als „gestrandeten Wal“ bezeichnet, wie es bezüglich meiner Islandakte vorkam.

Selbstportrait Mai 2020

Wenn man schlechte Kritik bekommt, dann eben nicht immer, weil man sie verdient, manchmal liegts eben auch an der Plattform. Von daher hoffe ich, dass sich niemand durch solche verbalen Entgleisungen von seiner Kunst abhalten lässt. Zusätzlich würde ich mir wünschen, dass in Facebookgruppen mehr moderiert werden würde, denn ich bin sicher, das würde die allgemeine Qualität steigern.

Einem sollte aber klar sein, dass das, was in Facebookgruppen oder der FC gezeigt wird, konservativen Vorstellungen von Ästhetik entspricht. Viele dort fotografieren heute so, wie sie es vor 20 Jahren schon gemacht haben, entwickeln sich kaum oder gar nicht und möchten das auch nicht. Oft sind sie sehr ablehnend, was neue kreative Wege betrifft. Trifft man auf diese Menschen, sollte man versuchen bei sich selbst zu bleiben. Oft hilft es auch, einmal zu schauen, was der Kommentierende denn eigentlich so macht. So stelle ich regelmäßig fest, dass gerade ganz gemeine Kommentare oft von Leuten kommen, die selbst nie etwas posten und generell überwiegend negative Kommentare verfassen. Die wenige konstruktive Kritik bekomme ich ausnahmslos von Menschen, die selbst eine gewisse Qualität vorzeigen können. Sei es nun aus technischer oder kreativer Sicht.

Selbstportrait April 2020

Facebookgruppen können also einen Mehrwert bieten, aber man braucht eine große Portion Kaltschnäuzigkeit und kreative Unabhängigkeit. Manchmal bringen mich Kommentare auf neue Bildideen oder führen dazu, dass ich meine Entscheidungen bei der Bildbearbeitung überdenke und feststelle, dass der andere wirklich Recht hatte. Manchmal fühle ich mich aber auch nur darin bestätigt, dass ich vieles richtig mache, das meine Ästhetik eben oft eine andere ist. In erster Linie möchte ich meinen eigenen Ansprüchen genügen. Manchmal habe ich einen ähnlichen Bildgeschmack wie andere. Manchmal nicht und das ist okay. Ich verstehe jeden, der sich das Durchschnittsniveau einer Facebookgruppe nicht geben will und bin daher unheimlich froh, über Instagram so viele tolle Kontakt gefunden zu haben. Am Ende plädiere ich dafür, sich zuallererst selbst zu genügen, seiner eigenen Ästhetik und Bildgefühl zu folgen. Ein kritischer Blick auf die eigene Arbeit kann einen bereichern, aber die emotionale Abgrenzung von der Meinung anderer ist dabei unerlässlich.

Coronabedingt habe ich im Frühling 2020 viele Selbstportraits gemacht und nutze diesen Platz, um Einiges daraus zu zeigen.

Nachtrag: Ich bin mittlerweile aus vielen Facebookgruppen ausgetreten, weil nichtmoderierte homofeindliche Kommentare zu den abgebildeten Modellen der Punkt war, an dem meine persönliche Schmerzgrenze erreicht war. Auch der FC habe ich den Rücken gekehrt. Ganz einfach weil es nicht mehr unterhaltsam für mich war.

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