Island 2019

Nähe Akureyri, Island 2019

Mit unserer Islandreise 2019 fing das ganze Projekt der Reiseakte an. Es war auch unserer erste gemeinsame Reise als Paar. Zunächst einmal sollte ich an dieser Stelle klären, wer „wir“ und „uns“ eigentlich sind. „Wir“, das sind mein Freund Johannes und ich. Johannes war es auch, der überhaupt die Idee zu unseren Islandakten hatte, die sich im Laufe der Zeit zu den „Reiseakte“ entwickelten, weil wir nach Island einfach nicht mit dem Projekt aufhören wollten.

Wir lagen wieder einmal bei mir zu Hause auf dem Sofa und die Vorfreude für unseren Islandurlaub war groß. Ich erzählte, dass die Leute immer ganz erstaunt darüber sind, dass ich auf meinen Reisen keine Kamera dabeihabe. Es wird oftmals davon ausgegangen, dass man als Fotografin nicht nur in seinem Bereich fotografiert, sondern eben auch dann, wenn man auf Reisen ist. Das ist bei mir nicht der Fall. Ich begreife mich als Menschenfotografin und fotografiere ausschließlich in diesem Bereich und innerhalb meiner Bildsprache.

„Wir könnten uns doch in Island fotografieren, so wie du das auch mit Marc gemacht hast“, warf Johannes ein und ich dachte laut nach. „Naja.. aber das müssten wir dann schon nackt machen, sonst ergibt das bildlich ja gar keinen Sinn. Ich fotografiere uns garantiert nicht in Winterjacke, wie wir touristyle vorm Wasserfall rumstehen!“. „Können wir doch machen“, war seine schlichte Antwort, so als wäre es das Normalste der Welt im isländischen Oktober ein Aktshooting zu planen, noch dazu als Selbstportrait.

Südroute nahe Vik, Island 2019

Reykjavik war dann unser erster Stopp und wahrscheinlich geht das den meisten Touristen so. Der Flughafen Keflavik ist die typische Anreisestation, wenn man aus dem Ausland nach Island anreist. Selbst bei einer Weiterreise direkt nach Akureyri landet man zum Umsteigen in aller Regel in Reykjavik. Wir haben hier auch direkt unser Mietauto abgeholt. Man kann allerdings auch mit dem Shuttle in die Stadt fahren, was etwa 40 Minuten dauert und sehr zuverlässig funktioniert. Reykjavik bedeutet soweit ich weiß „Rauchbucht“ und wenn man am Hafen spazieren geht, wird auch schnell klar, wie die Menschen darauf gekommen sind.

Die meisten Touristen, die in Island nur wenig Zeit haben, erkunden den Süden zwischen Reykjavik und Vik i Myrdal. Dort gibt es auch sehr viele schöne Spots und ich persönlich finde, dass man die klassische Golden Circle Tour ruhig auch ein zweites Mal mitnehmen kann. Da ich bereits im Vorjahr in Island war, waren diese Highlights aber nicht neu für mich. Allerdings haben wir die Tour dank unseres Mietwagens in anderer Reihenfolge gemacht als viele Touranbieter und hatten so doch etwas Ruhe vor den Touristenmassen. Tatsächlich sind wir den großen Scharen immer etwas voraus gewesen und gerade auf dem jeweiligen Rückweg als die Ersten eintrafen.

2018 befand ich daher, dass so richtiges Islandgefühl in diesen überlaufenden Gebieten irgendwie nicht aufkommt. Damals war ich im September da, wo die Touristen langsam weniger werden und trotzdem war es natürlich noch sehr voll. Wem es im Herbst aber zu kalt ist, der aber dafür mir einem verworfenen Schlafrhythmus zurechtkommt, rate ich, im Sommer tagesazyklisch unterwegs zu sein, weil es nicht sehr dunkel wird. Wer das nicht will, dem würde ich gerade für den Süden wirklich von den Sommermonaten abraten. Ich hatte 2018 keine richtige Vorstellung davon, wie sich Touristenmassen so anfühlen können und war wirklich etwas überfordert damit.

Johannes und ich, Island 2019

Nachdem wir dann einige Tage in und um Reykjavik verbracht hatten, machten wir uns auf in Richtung Westfjorde. Hierbei nahmen wir den Umweg über die Halbinsel Snaefellsnes. Mich hatte Snaefellsnes bereits 2018 deutlich mehr beeindruckt, zumal es auch etwas weniger touristisch überlaufen ist. Ganz im Westen von Snaefellsnes bot sich dann auch unsere erste Gelegenheit für ein Selbstportrait. Es war windig und somit recht kalt. Zudem lag hier nun auch der erste Schnee und wir waren kurz davor zu kneifen. Allerdings war es ja unser Ziel, während unserer Reise wenigstens ein Bild zu schaffen und wir hatten schnell gemerkt, dass für unser Vorhaben mehrere Dinge gegeben sein mussten.

Erstmal brauchten wir einen Spot, den wir beide schön fanden und an dem wir uns ein Bild vorstellen konnten. Dann brauchten wir einen Parkplatz oder eine Parkmulde, um das Auto abzustellen. Leider halten viele Touristen einfach am Straßenrand, was ziemlich gefährlich ist und wohl mit zu den größten No Gos gehört, die man auf einem Road Trip in Island so machen kann. Des Weiteren sollten wir von der Straße nicht unbedingt zu sehen sein, um nicht zu viel Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen oder Menschen vom Autofahren abzulenken. Hier traf nun all das zu und auch wenn der starke Wind die Kamera samt Stativ bereits einmal umgeworfen hatte, legten wir los.

Der Fernauslöser, der eben noch im warmen Auto tadellos funktioniert hatte, gab nun das erste Mal den Geist auf (das erste Mal von unzähligen Malen…). Leider erst, als wir schon nackt waren. Wir hätten entweder aufgeben und uns wieder anziehen können oder wir würden nun durchziehen. Da Johannes bereits im schneebedeckten Lavafeld saß, der Wind die Kamera auf dem Stativ wanken ließ, entschied ich mich proaktiv, schaltete in den 10 Sekunden Selbstauslöser um, rannte so schnell es ging von der Kamera über die spitzen und vereisten Lavasteine hoch zu Johannes und brüllte ihm unterwegs noch zu, dass er schöne Füße machen solle und meine Brüste verdecken müsse. Klatschte mich dann vor ihn hin, hörte die letzten Piepstöne der Kamera und hoffte, dass wir gerade einigermaßen gut aussehen würden. 10 Sekunden sind einerseits verdammt lang, wenn man nackt im Schnee sitzt, aber andererseits auch sehr kurz, wenn man seinen Körper unter Kontrolle kriegen muss, um eine gute Pose zu machen und nur erahnen kann, wie man gerade aussieht.

Snaefellsnes Nationalpark, Vesturland

Damit diese ganze Aktion auch bloß nicht umsonst war, rannte ich noch 2 weitere Male zwischen der Kamera und Johannes hin und her, sodass wir wenigstens 3 Auslösungen hatten. „Okay, okay, zieh dich an“, war wohl der Satz, den Johannes herbeigesehnt hatte. Ich knallte also lediglich den Objektivdeckel auf die Kamera und versuchte mich anzuziehen. Insgesamt waren wir wohl nur 5 Minuten nackt gewesen, doch der Wind hatte uns immens schnell auskühlen lassen, sodass ich keinerlei Gefühl mehr in meinen Finger und Füßen hatte. Alles war taub und ich hatte noch nie solche Schwierigkeiten meine Socken anzuziehen. Halbwegs angezogen und sicherstellend, dass wir nichts liegengelassen hatten, ging es zurück ins Auto. Was jetzt kam, waren die wohl schlimmsten Kälteschmerzen, die ich jemals hatte. Mit jedem bisschen Gefühl, dass zurück in meine Glieder kam, stieg der Schmerz und meine kurze Freude darüber, dass wir es wirklich geschafft hatten, schlug in Hysterie um.

Ich bin kein sonderlich schmerzempfindlicher Mensch, aber jetzt tat es einfach nur weh. Wirklich weh. Nach 5 Minuten kamen mir vor Schmerzen die Tränen, weitere 10 Minuten später wurde es dann endlich besser und ich realisierte, dass wir gerade bei gefühlten -8 Grad in Island, Aktbilder gemacht hatten. Zu meiner Verwunderung sahen die Ergebnisse auf der Kamera auch ganz passabel aus. Wir hatten es wirklich geschafft, unsere Körper unter Kontrolle zu kriegen, sogar die Füße sahen gut aus. Und nachdem mir auch nichts mehr wehtat, durchströmte mich den Rest des Tages so viel Wärme, dass ich überwiegend im Pullover draußen herumlief. Wir waren ON.

Wenn ich nun über die Islandakte spreche, dann ist unser erstes Bild noch immer eines derer, die mir am schwersten gefallen sind, jedenfalls körperlich. Andere Bilder stellten mich hingegen eher technisch auf die Probe. So hatten wir das malerische Holmavik gerade verlassen, als Johannes abrupt einen Parkplatz ansteuerte. Ich gebe ganz offen zu, dass er für die meisten Spots verantwortlich ist, weil er einfach ein wahnsinnig gutes Auge hat. Dieses Mal hatte er das Symbol für eine Sehenswürdigkeit entdeckt. Auf einem Hang, hinter Felswänden versteckt, sollte sich ein kleiner Wasserfall befinden und so stiegen wir aus und schauten nach. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir dieses Bild nicht gemacht, denn wir mussten nicht nur über einen vereisten Bachlauf mit aalglatten Steinen. Hinzu kam, dass sich Kamera lediglich auf dem Hang aus Lavagestein platzieren ließ, der natürlich auch vereist war. Immerhin funktionierte diesmal der Fernauslöser und wir waren mittlerweile schon etwas routinierter mit diesen Selbstportraits, da wir zwischenzeitlich schon vier weitere gemacht hatten. So hatten wir schon gelernt, dass wir die Socken direkt im Auto lassen sollten, weil wir so viel schneller zurück in unsere Schuhe kamen. Einen BH trug ich seit dem ersten Bild eh schon nicht mehr, weil ich diesen mit eiskalten Händen sowieso nicht wieder anziehen konnte. Zwar holte ich mir auf den spitzen Lavasteinen die ersten Blessuren an den Füßen, davon aber einmal abgesehen, war es deutlich schwieriger, die Kamera zu platzieren als der Kälte zu trotzen. Die Westfjorde hatten uns etwa -4 Grad gebracht, die sich aber Dank Windstille deutlich angenehmer anfühlten, als man meinen mag. Wahrscheinlich hatten wir uns aber auch etwas ans isländische Klima gewöhnt.

Nähe Holmavik, Island 2019

Eine meiner Lieblingsanekdoten ereignete sich ebenfalls in den Westfjorden in der Nähe der Kleinstadt Holmavik. Während wir einer Landstraße folgten hatten wir einen kurzen Stopp und unser erstes Selbstportrait des Tages gemacht. Da wir das Auto direkt hinter der Kamera parken konnten, war das auch schnell im Kasten. Zurück auf der Straße wurde selbige immer schlechter. Als es uns dann doch zu unsicher wurde, eine schneebedeckte Straße mit einem Kleinwagen zu befahren, wir aber die letzte Wendemöglichkeit verpasst hatten, blieb uns nichts anderes übrig, als im Rückwärtsgang bis zur Haltebucht zurückzufahren. Unglücklicherweise fuhren wir dazu ein Stück von der befestigten Straße runter, die aber unter dem Schnee nicht mehr von dem unbefestigten Teil zu unterscheiden war und steckten direkt im Schnee fest. Beim Versuch wieder auf die Straße zu kommen, drehten die Räder direkt durch. Mitten im Nirgendwo steckten Johannes und ich also mit einem Kleinwagen im Schnee fest und hatten das Klischee des dämlichen Touristen perfekt erfüllt. Nach gut 20 Sekunden Pulskontrolle blickte ich dann in den Rückspiegel und stellte fest, dass hinter uns plötzlich ein Geländewagen auftauchte, der kurz vorher bei wirklich hoher Sichtweite noch nicht ansatzweise zu sehen war. 3 ältere Isländer hielten, erkannten unser Dilemma und schoben uns kurzerhand aus dem Schnee. Noch nicht mal ein wissendes Grinsen hatten sie uns gezeigt. Sie tauchten aus dem Nichts aus, schoben uns zusammen mit mir aus dem Schnee und waren so schnell verschwunden, wie sie aufgetaucht waren. Ich frage mich noch heute, ob das eine dieser X Faktor-Geschichten ist, bei der man nie weiß, ob das wirklich so passiert ist.

Zu Beginn unserer Selbstportraits war es Johannes sehr wichtig, dass uns keinesfalls jemand sieht. Ich dachte mir schon, dass sich diese Sorgen mit der Zeit verkleinern würden und so kam es auch als wir einen Tagestrip zum Mytvatn machten. Rund um den See gibt es sehr viele schöner Naturwunder zu sehen und wer die Zeit hat, sollte sich unbedingt einen Besuch im Naturbad gönnen. Die meisten Touristen besuchen bei ihrem Aufenthalt in Island die Blaue Lagune, die eigentlich immer sehr gut besucht ist. Wen es nicht in den Norden verschlägt, die empfehle ich die etwas weniger überlaufene „Secret Lagoon“, die natürlich trotzdem nicht sonderlich geheim ist. Wer in Island aber etwas herumkommt, sollte wirklich einen Abstecher zum „Mückensee“ machen.

In der ganzen Region um den Mytvatn sieht man Dampf aufsteigen und wir wollten unbedingt ein Bild damit machen. Ich für meinen Teil hätte mich wohl auch auf den Parkplatz gestellt, was sich aber als die schlechtere Variante herausgestellt hätte, da dort wirklich im Minutentakt Autos und ganze Touristenbusse parkten. Der Kompromiss war dann, auf einen Hügel zu klettern und für Johannes war es wohl die bislang größte Herausforderung, da sich dieser Hügel direkt an der Hauptstraße befand.

Dass auf Reisen nicht immer alles glatt läuft, wissen die meisten. Wir hatten sehr viel Glück mit dem Wetter und den Umständen. Als wir allerdings auf dem Weg zum Dettifoss waren, erwischte es uns dann doch. Bislang hatte sich die Wahl unseres Kleinwagens nur in den Westfjorden als nachteilig erwiesen, als wir einmal im Schnee steckengeblieben waren, aber das hatte uns damals nicht von etwas Wesentlichem abgehalten. An diesem Tag waren die Straßen zum Dettifoss für einen Kleinwagen wie unseren allerdings nur schwer zu passieren. Sie waren sehr vereist und voller Schnee. Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht, aber schlussendlich beschlossen, dass es einfach zu gefährlich sei, diese Straße mit einem derartigen Auto zu passieren und drehten um. Wer also wirklich uneingeschränkt durch Island reisen möchte und insbesondere nicht im Sommer unterwegs ist, sollte wirklich den Aufpreis für einen Geländewagen zahlen. Auf dem Rückweg ging die Sonne bereits unter und um uns etwas über den verpassten Wasserfall hinwegzutrösten, entschieden wir uns für diesen Fotospot. Zugegen, es ist etwas kitschig, wie wir dort Hand in Hand im Schnee stehen. Aber unserer Stimmung hat es geholfen.

Nähe Akureyri, Island 2019

Während unserer Reise entwickelten wir einige weitere Bilderwünsche. So wollte ich unbedingt ein Bild mit Schafen oder Pferden machen, weil sie für mich einfach zum Bild Islands gehören. Zu den Bildwünschen gehörte auch ein Bild unter den Polarlichtern. Für mich war das eine riesige Herausforderung und ich kann direkt vorwegnehmen, dass das technisch mit Sicherheit nicht mein stärkstes Bild ist. Es war der erste Abend in Akureyri und wir hatten uns den Spot bereits im Vorfeld ausgesucht. Mit Einbruch der Dunkelheit fuhren wir und warteten auf die Nordlichter. Bei -11 Grad standen wir dann also in der Dunkelheit und bauten die Kamera auf. Und wie auch bei unserem allerersten Bild streikte auch hier der Fernauslöser. Somit war es mir unmöglich, manuell zu belichten und ich war darauf angewiesen, die maximale Belichtungszeit der Kamera in Kombination mit dem Selbstauslöser zu nutzen. 30 Sekunden Belichtungszeit sind bei Nacht einfach zu kurz, um ein wirklich schönes Ergebnis zu haben. Daher bin ich mit dem Bild auch nicht sehr zufrieden. Da es aber wohl das härteste Bild der Reise war, zeige ich es dennoch. bei so niedrigen Temperaturen und einem Naturspektakel wie den Nordlichtern hatten wir nicht viele Versuche. Zudem entluden sich die Kameraakkus bei der Kälte wahnsinnig schnell.

Nordisland Nähe Akureyri 2019

Es ist schwer zu sagen, was das Schlimmste an diesem Bild war. Meine Überforderung mit der Technik, meine absolute Unerfahrenheit mit Nachtfotografie oder die Temperaturen. 30 Sekunden Belichtungszeit bedeuteten, dass wir für jeden Versuch 30 Sekunden im Schnee saßen und uns möglichst nicht bewegen durften. Nach einigen Sekunden fingen unsere Körper aber schon an, unkontrolliert zu zittern. Der Schnee zwischen den Pobacken ließ alles taub werden, meine Finger gaben beim Einstellen der Kamera ebenfalls schnell ihren Geist auf und zu allem Übel standen wir wieder direkt an der Straße und hatten ein paar Mal das Pech, dass uns nach 25 Sekunden doch ein Autoscheinwerfer anstrahlte und wir einen neuen Versuch wagen mussten. Ich war mehrfach kurz davor, aufzugeben, weil ich mental und körperlich einfach nicht mehr konnte. Ich hatte wieder irrsinnige Kälteschmerzen und meine Überforderung schlug nach und nach in tränenreiche Frustration um. Obwohl es diesmal auch für Johannes körperlich sehr hart war, nahm er mich einfach in den Arm, beruhigte mich, redete mir gut zu und pushte mich über meine Grenzen.

Die Erfüllung eines weiteren Bilderwunsches war damit verglichen einfach nur eine einfache und tolle Abgelegenheit. Johannes und ich fuhren 400 Kilometer Richtung Osten und redeten bereits seit Tagen darüber, wie gerne wir ein Bild mit Schafen oder Pferden machen wollten. Leider fanden wir entweder keinen geeigneten Platz, um das Auto abzustellen oder aber wir hätten uns zu öffentlich präsentiert. Noch dazu war es uns wichtig, keine Privatgrundstücke zu betreten geschweige denn über Zäune oder Absperrungen zu klettern. Aber nun ergab sich eine Chance. Die Stuten mit ihren Fohlen standen sehr weit hinten auf der Weide, aber ich probierte mein Glück. Wie zu meinen besten Pferdemädchenzeiten stellte ich mich an den Zaun und rief einfach über die Weide. Tatsächlich setzten sich erst die Stuten und dann die Fohlen in Bewegung. Dann ging alles ganz schnell. Rasant wurde die Kamera aufgebaut und wir versuchten irgendwie ein halbwegs passables Bild zu machen. Viele Versuche hatten wir nicht, da sich de Pferde recht schnell wieder aus dem Staub machten, nachdem sie bemerkten, dass wir nicht weiter interessant waren und nicht mal etwas zu knabbern dabei hatten.

Ostroute, Island 2019

Als wir am Ende des Tages im kleinen Djupivogur angekommen waren, hatten wir einen großen Teil der Reise bereits hinter uns. In vielen Blogs über Island kommt der Osten meiner Meinung nach viel zu kurz. Ich kann es nicht an konkreten Spots festmachen, aber ich wünschte wirklich, wir hätten mehr Zeit im Osten verbracht. Zwar fährt man hier keine gehypten Locations ab, aber der Gesamteindruck von Ostisland ist einfach wunderschön. Es ist ruhiger, kaum überlaufen und die Landschaft ändert sich wahnsinnig schnell. In der Nähe von Djupivogur war es auch, wo wir den wohl schönsten Sonnenaufgang erleben durften und eines unserer gemeinsamen Lieblingsbilder machten. Wieder war es mit 3 Grad vergleichsweise warm und so konnten wir gleich 4 Motive in einem Durchgang fotografieren. Die aufgehende Sonne schenkte uns wunderschöne Farben und obwohl wir auch an diesem Tag wieder 400 Kilometer vor uns hatten, mussten wir uns wirklich überwinden, nicht noch viel mehr Motive zu fotografieren. Als wir dann vom beschaulichen Osten nach Süden fuhren war es, als hätten wir plötzlich eine Wand durchbrochen. Wo es im Osten noch regelrecht idyllisch und einsam gewesen war, waren wir plötzlich wieder mitten im Massentourismus angekommen. Die meisten Touristen fahren den Süden bis zur Gletscherlagune entlang, die zugegeben auch sehr schön ist. Mit dem Islandfeeling war es dann aber erst einmal vorbei und wir mussten uns kurz daran gewöhnen, von so vielen Menschen und vor allem Nichtisländern umgegeben zu sein. Würde ich die Reise erneut planen, würde ich wohl die Sehenswürdigkeiten des Südens an einem Tag abfahren und stattdessen mehr Zeit im Osten verbringen.

Wer bereits in Island war, dem wird aufgefallen, dass es kaum heimische Bäume gibt. Das hängt mit der Wikingerzeit zusammen, die für ihre Boote einen Großteil der isländischen Bäume abgeholzt haben. Verirrt man sich heute also in einem isländischen Wald, genügt es vollkommen, wenn man sich einfach hinstellt. Wovon es hingegen in Island genug gibt, sind die ewigweiten Lavafelder. Lavafelder sind tückischer als man meinen könnte. Nicht selten gibt es verdeckte Spalten, in die man geraten und sich verletzen kann. Daher haben wir immer darauf geachtet, sehr vorsichtig zu sein und sehr genau zu schauen, wo wir hintreten. Ebenso war es uns enorm wichtig, keinen Müll zu hinterlassen. Daher haben wir uns immer genaustens versichert, dass wir nichts verloren hatten und haben dabei auch gelegentlich den Müll anderer mitgenommen. Wie bereits gesagt, sind wir auch nie über Zäune gestiegen oder haben Privatgrundstücke betreten. Viele Touristen missachten für ein gutes Selfie den ein oder anderen Warnhinweis. Dabei sollte man wissen, dass die Isländer diese Schilder wirklich nur dann aufstellen, wenn es wirklich notwendig ist, weil normaler Menschenverstand in dem ein oder anderen Fall nicht gereicht hat. Daher fand ich die vielen kleinen Schildchen rund um den Geysir Strokkur solange deutlich übertrieben, bis ich hörte wie jemand hinter mir sagte, dass er das Geysir-Wasser gerne mal anfassen würde. Wohlgemerkt reden wir hier von etwa 100 Grad. In diesem Sinne: Wenn ihr in Island einen Warnhinweis seht, dann beachtet ihn, es hat seinen Grund und man sollte aus Ausländer die isländischen Gegebenheiten keinesfalls unterschätzen.

Ostisland, nahe Djupivogur 2019

Den Süden Islands erkundeten wir zum Schluss unserer Reise. Hier tummeln sich wohl mit Abstand die meisten Touristen, sodass ich gar nicht damit gerechnet hatte, dass wir hier viele Bilder machen könnten. Noch Zuhause hatte ich mir ausgemalt, wie gerne ich ein Bild am Reynisfjara, dem schwarzen Strand, machen wollte. Schon 2018 fand ich es wunderschön dort. Leider wimmelt es da aber auch vor Touristen. Wir fuhren trotzdem hin, da ich die Hoffnung hatte, wir würden eine gute Stelle finden, wenn wir nur weit genug den Strand entlanglaufen würden. Der Atlantik schickte an diesem Tag seine Wellen bis zu den Felswänden hinauf und so trauten sich die anderen Touristen nur bis zur ersten Basalthöhle. Wir nutzen die Gelegenheit, passten die Wellen ab und schlüpften zwischen Meerwasser und Felswänden hindurch. Tatsächlich kam uns niemand hinterher und wir konnten 2 schöne Motive fotografieren. Typisch isländisch waren wir gerade auf dem Rückweg zum Auto als es anfing zu regnen. Es waren die einzigen, trockenen 20 Minuten des Vormittags gewesen. Danke Thor.

Wenn ich darüber nachdenke, dass wir erst nur ein Bild schaffen wollten, dann an einen Kalender dachten und schlussendlich über 50 Motive entstanden sind, bin ich unendlich dankbar. Nicht nur, dass wir wirklich Glück mit dem Wetter hatten, wir konnten uns gegenseitig auch immer wieder motivieren, ideenreich voranbringen und Johannes, der so gut wie keine Erfahrung vor der Kamera hat, entwickelte sich zu einem vollwertigen Kreativpartner. Mal waren es die Kälteschmerzen, mal war es die technische Überforderung, die mich zum Nervenbündel werden ließ. In jedem Moment war er an meiner Seite, fing mich auf, tröstete mich und redete mir gut zu.

Ring Road nach Akureyri, Norðurland vestra

Nachdem Johannes und ich aus Island wiedergekommen waren und ich nun wusste, dass wir tatsächlich einige Selbstportraits gemacht hatten, begann ich auch damit, in meinem Freundes- und Bekanntenkreis davon zu erzählen. Tatsächlich hatte ich mich damit im Vorfeld recht bedeckt gehalten und es ironischerweise nur dem ein oder anderen Kollegen erzählt. So nett meine Kollegen auch sind, interessieren sie sich nicht großartig für meine Kollegen und somit wären auch im Falle unseres Scheiterns wohl keine unbequemen Nachfragen gekommen. Nun waren wir aber nicht gescheitert und ich hatte zudem schon während der Reise in meinen Instagram-Stories über den Verlauf geschrieben. Wie bei all meinen Reisen war ich auch während meiner Zeit in Island recht aktiv auf Instagram unterwegs.

Zurück zu Hause kam nicht nur das Bild vorm Wasserfall an die Wand, ich begann auch nach einiger Zeit mit der Veröffentlichung der Bilder. Auf Instagram gab es wieder sehr viel Zuspruch und selbst die Fotocommunity ließ so manches gute Haar an mir. Auf Facebook war es wieder einmal etwas schwieriger. Einige fanden Gefallen an den Bildern. Andere brachten sehr deutlich zum Ausdruck, dass sie sich das mit unseren Körper nicht getraut hätten. Eine Aussage, die sicherlich nett gemeint, aber nicht nett ist. Johannes und mir war es bei den Islandakten immer wichtig, uns selbst nicht auf unsere Körper zu reduzieren. Wir hatten nicht den Anspruch einem kommerziellen Ideal zu entsprechen, sondern uns viel eher auf unsere Weise in die Landschaft einzufügen und ein persönliches Reisetagebuch zu erschaffen.

Nähe Vik, Südisland, Suðurland

„Wie zwei gestrandete Wale“, kommentierte eine Frau in einer Facebookgruppe, was kein Kompliment sein sollte. Aber Facebookgruppen wären nicht Facebookgruppen, wenn sie nicht schöne und herzliche Überraschungen bereithielten und so möchte ich diesen Gedanken zum obigen Bild gern teilen: „Ich finde es erinnert mich eher an die Geschichte über die Selkies aus der schottischen Mythologie. In der Robben an Land kommen, ihr Fell ablegen und als schöne Frauen an Land gehen. Wenn sie ihr Fell verlieren oder es ihnen gestohlen wird, so sind sie im menschlichen Körper gefangen. Für mich könnte das ein Bild aus solch einer Geschichte sein. Etwas mystisch, etwas düster, etwas verträumt“. Dieser Kommentar hat mich wirklich berührt und ich bin dankbar, ihn erhalten zu haben.

Unsere Islandreise liegt nun schon bald ein Jahr zurück und noch immer spricht besonders Mr. Ginger viel darüber. Auch werde relativ häufig innerhalb meines fotografischen Netzwerkes auf die Islandbilder angesprochen, was mich immer sehr freut, da es wohl mein persönlichstes und intimstes Projekt ist. Selbst jetzt, wo diese Reise immer weiter zurückliegt, ist für mich und Johannes vollkommen klar, dass wir dieses Projekt fortsetzen wollen, auch wenn uns die Corona-Pandemie dieses Vorhaben etwas erschwert. Allerdings hat uns dieses gemeinsame Projekt so bereichert, dass wir auch diese Hürden in Kauf nehmen und Wege finden, sie zu meistern. Hürden zu meistern haben wir schließlich während der Islandakte auf verschiedenste Weise immer wieder gelernt.

In der folgenden Galerie gibt es ein paar Auszüge aus unseren allerersten Reiseakten aus Island. Deutlich mehr gibt es auf unserem Instagramaccount: dirty_feet_and_messy_hair

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